Pfingst-Reiten in Lüdersdorf
Jörg Roschlau
1920-er Jahre
1937
1946
In einer Annonce im Teltower Kreisblatt vom 27. Mai 1895 wurde die Einweihung des Gasthauses Schmidt und des Tanzsaales in Lüdersdorf bekanntgegeben mit der Ankündigung, dass am 2. Pfingstfeiertag ein Wettreiten stattfinden wird.
Wir können davon ausgehen, dass das der Beginn vom Lüdersdorfer Pfingstreiten war.
Später kam ein weiteres lustiges Ereignis dazu: Die Aufstellung des Lüdersdorfer Pfingstochsen.
„Dieser Ursprung geht bis auf 1900 und auf einen Jux der jungen Burschen des Dorfes zurück.
Sie hatten damals eine ausgestopfte Figur, die außerdem mit einer Schärpe vom Wettreiten verziert war, oben am Maibaum angebunden.
Teils war man empört, teils belustigt. Auf jeden Fall wurde diese Art von Maibaumsetzen wiederholt und nach dem zweiten Weltkrieg fortgesetzt“ (1)
Am zweiten Pfingstfeiertag 1946 fand in alter Tradition erstmals das Pfingstreiten wieder statt.
Es war das größte Ereignis des Jahres und das einzige dieser Art weit und breit.
Die Leute kamen von Nah und Fern. Teilweise wurden auch Verwandte und Freunde zu den Festlichkeiten eingeladen.
1948
Teilnehmer am Reiten waren junge Burschen aus Lüdersdorf.
Es gab verschiedene Rennstrecken.
Das Reiten erfolgte entweder auf der rechten Seite der Apfelallee oder auf Feldern vor Gadsdorf, die seitlich gekennzeichnet wurden und nicht bestellt waren.
Die Rennstrecke hatte eine Länge von 800 bis 1000 Metern.
Am Pfingstsonnabend erbaute die Dorfjugend mit Musik, Spaß und einem Bier den Pfingstochsen, der dann zwischen den Häusern Im Rundling 15 (Haus 21) und Im Rundling 13 (Haus 24) aufgestellt wurde.
Dabei war auch mal Schabernack im Spiel.
So wird erzählt, dass die Blumentöpfe der Nachbarn von Siegfried Wuthe versteckt wurden.
Im Vorfeld des Pfingstreitens trafen sich die unverheirateten Mädchen des Dorfes, um für das Siegerpferd einen Ehrenkranz und kleine Sträuße für die 1. bis 7. Plätze zu binden.
Vorher wurde ausgelost, wer welchem Reiter die Ehrengabe überreichen durfte.
Der Hauptmann zum Pfingstreiten stand fest.
Diese Funktion übten Walter Albrecht sowie in den letzten Jahren Lothar Baumann aus.
Auf dem Feld, wo der Wettkampf ausgetragen werden sollte, wurden vorher Hindernisse, wie z.B. Steine, beseitigt.
Auch die Teilnehmer am Pfingstreiten hatten viel zu tun. Die Pferde wurden gestriegelt und rausgeputzt.
Die Reiter hatten weiße Hemden und weiße Hosen an. Geritten wurde ohne Sattel.
Der Stellplatz der Reiter war am aufgestellten Pfingstochsen.
1959
Vor dem Abmarsch der Reiter durch das Dorf in Richtung Rennstrecke hielt der Hauptmann eine Rede und erklärte wichtige Wettkampfregeln.
Dann ging es los.
Vorneweg die Musikkapelle, dann junge Mädchen mit dem Siegerkranz und der Hauptmann mit einer blauen Schärpe.
Es folgten die Wettkämpfer auf ihren Pferden.
Zum Abschluss reihten sich viele Gäste und Lüdersdorfer in den Festzug mit ein.
Die Reiter nahmen Startposition ein. Der Wettstreit begann mit dem Kommando „Fertig! Marsch!“ durch den Pfingsthauptmann.
1962
1968
Um 2000
Jeder, der schon einmal auf einem Pferd gesessen hat, weiß, dass es beim normalen Schritt nicht einfach ist, oben zu bleiben.
Die jungen Reiter ritten aber in vollem Galopp über die Felder. So gab es also immer was zu lachen.
Oft verkleideten sich auch Reiter als Frau oder Clown und ritten auf einem Ackergaul.
Manches Pferd ohne Reiter schlug einen anderen Weg ein und begann irgendwo zu grasen.
Es wird auch erzählt, dass der Hauptmann Lothar Baumann beim Startkommando mal vom Pferd fiel.
Das Pferd bekam einen Schreck und dachte wohl, es müsse beim Rennen mitmachen.
Auch ritten andere aus Spaß am Rande mit.
Bei einem gespielten Tusch der Kapelle kam es vor, dass ein Reiter vom scheuenden Pferd abgeworfen wurde.
Dieser hatte dann natürlich keine Chance auf einen vorderen Platz. Sie ritten nur aus Gaudi am Rande des Geschehens mit.
Oder es passierte auch, dass ein junger Bursche, um mitreiten zu können, eine Kuh gegen sein Pferd umtauschte.
Zu Pfingsten 1968 wollten sogar zwei Lüdersdorfer, aus Spaß, verkleidet als Sanitäter (Foto oben) an dieser Veranstaltung teilnehmen.
Nach dem Wettkampf zogen die Erstplatzierten (Platz 1 bis Platz 7) im Beisein der Schaulustigen zur Gaststätte, wo die Siegerehrung durch die Mädchen erfolgte.
In der Regel gab vom Gastwirt Freibier.
Der Sieger wurde durch die Musikkapelle nach Hause begleitet, um sich für die weiteren Feierlichkeiten in Schale zu schmeißen.
In der Gaststätte traf sich die Dorfgemeinschaft mit allen Teilnehmern zum fröhlichen Ausklang der Veranstaltung bei Bier, Tanz und guter Laune.
Um Mitternacht wurde der Pfingstochse wieder heruntergeholt und entweder in die Gaststätte Viol oder ins Schützenhaus gebracht.
Der Reiter, der als Letzter ins Ziel kam, musste mit dem Pfingstochsen tanzen.
Mit der Gründung der LPG und der zunehmenden Technisierung der Landwirtschaft ging die Zahl der Pferde rapide zurück.
So fand das Kapitel Pfingstreiten in Lüdersdorf 1971 aus Mangel an Pferden ein jähes Ende.
Eine Tradition wurde jedoch mit kurzen Unterbrechungen weitergeführt. Das Aufstellen des Pfingstochsen.
Siegfried Wuthe nahm sich mit anderen Lüdersdorfern dieser Tradition viele Jahre bis nach der Wende an.
Der Lüdersdorfer Heimatverein hatte 2015 die Idee, der Pfingstsymbolik, dem Pfingstochsen, ein neues Gewand, ein neues Aussehen zu geben, um die öffentliche Wirksamkeit für Bewohner und Durchreisende zu verbessern.
Zu Pfingsten kann man den Lüdersdorfer Pfingstochsen in voller Pracht vor dem Haus der Vereine betrachten.
Quellen und Literatur:
1 – Märkische Allgemeine, 23.05.1999, Artikel „Der Pfingstochse“ von Lüdersdorf, Uta Franke
Lüdersdorf, Historisches Mosaik eines Märkischen Dorfes, Seite 137, Dr. Gerhard Birk
Archiv Heimatverein Lüdersdorf e.V., Fotografen unbekannt
Pressemeldung in der MAZ vom 22.05.1999 "Der Pfingstochse von Lüdersdorf" von Uta Franke